Einleitung – Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteil vertraglicher Beziehungen
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind ein integraler Bestandteil vertraglicher Beziehungen zwischen den Parteien. In der heutigen Zeit ist es eher die Ausnahme als die Regel, dass eine Vertragspartei – ein Unternehmer – keine eigenen AGB hat, auf die sie sich beim Vertragsabschluss bezieht.
Im Rahmen des Vertragsschlusses konzentrieren sich die Geschäftsteams der Parteien häufig primär auf den wirtschaftlichen Teil des Geschäfts. Der Vertrag wird oft nur als schützendes Instrument oder als notwendiger Punkt auf der internen Checkliste des Vertriebsteams betrachtet. Es kommt daher häufig vor, dass beide Parteien über eigene AGB verfügen, die typischerweise Bestandteil der von ihnen geschlossenen Verträge sind. Die Parteien beziehen sich dann in ihren Vereinbarungen gegenseitig auf ihre jeweiligen AGB, ohne sich näher mit deren Inhalt zu befassen.
Doch was tun, wenn die AGB beider Parteien im Widerspruch zueinanderstehen? Welche Bestimmungen gelten dann und welche AGB setzen sich durch?
Battle of the Forms – Lösungsansätze in der Praxis
Diese Situation, in der es zu einer Kollision von AGB kommt, wird als „Battle of the Forms” bezeichnet. Ein typisches Beispiel:
Partei A (Käufer) kontaktiert Partei B (Verkäufer) mit dem Wunsch, einen Kaufvertrag abzuschließen. Partei A übersendet eine Bestellung an Partei B und fügt ihre AGB A bei. Partei B reagiert, indem sie die Bestellung bestätigt bzw. einen Vertragsentwurf mit ihren eigenen AGB B versendet – ein klassischer Gegenentwurf. Partei A akzeptiert den Vertrag, verweist aber erneut auf ihre AGB A – ein weiterer Gegenentwurf im Verhandlungsprozess.
Zusätzlich enthalten die AGB beider Seiten häufig einen Disclaimer, wonach ausschließlich die eigenen AGB gelten und die Anwendung anderer AGB ausdrücklich ausgeschlossen ist. Ein solches Vorgehen ist bei Vertragsabschlüssen mittels Fernkommunikation (typischerweise per E-Mail) üblich.
In der Praxis herrscht häufig die Vorstellung, dass die eigenen AGB die der Gegenpartei überwiegen, weil sie zum einen die Anwendung fremder AGB explizit ausschließen (ohne zu beachten, dass die andere Partei dies ebenfalls tut), und zum anderen, weil man als Letzter im Austauschprozess auf die eigenen AGB verwiesen hat. Dieses Prinzip nennt sich “Last Shot Rule”. Nach dieser Regel gelten die AGB der Partei, die diese zuletzt in die Verhandlungen eingebracht hat.
Neben der “Last Shot Rule” existieren folgende gängige Auslegungsansätze zur Lösung der AGB-Kollision:
- First Shot Rule: Die AGB der Partei, die sie zuerst vorgelegt hat, gelten, sofern die andere Partei diesen nicht ausdrücklich widerspricht.
- Knock-Out Rule: Widersprüchliche Klauseln neutralisieren sich; es gelten nur die übereinstimmenden Bestimmungen.
- Individuelle Gepflogenheiten der Parteien, sofern diese als gefestigt anzusehen sind.
„Last Shot Rule“ vs. „Knock-Out Rule“
Im Folgenden wird die Rezeption der “Last Shot Rule” und “Knock-Out Rule” in Rechtsprechung und Literatur näher betrachtet, da diese beiden Lösungsansätze zu den am häufigsten verwendeten gehören.
Im Falle der Berufung auf die „Last-Shot“-Regel prüfen die Parteien häufig den Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Gegenseite nicht ausreichend und konzentrieren sich ausschließlich darauf, im Rahmen der gegenseitigen Kommunikation das sogenannte letzte Wort zu haben – nämlich durch einen Verweis auf ihre eigenen Geschäftsbedingungen. In dieser Hinsicht handelt es sich um einen auf den ersten Blick einfachen Ansatz zur Bestimmung der anwendbaren Geschäftsbedingungen.
Demgegenüber stellt die „Knock-out“-Regel einen deutlich anspruchsvolleren Ansatz zur Bestimmung der anwendbaren Vertragsbedingungen dar. Die Parteien müssen hierbei den Inhalt ihrer jeweiligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen sorgfältig prüfen und beurteilen, inwieweit sich die Bedingungen gegenseitig ausschließen und in welchen Punkten hingegen kein Widerspruch besteht. Dieses Vorgehen soll sicherstellen, dass auf das Vertragsverhältnis nur diejenigen Klauseln Anwendung finden, auf denen Einvernehmen besteht, während widersprüchliche Regelungen ausgeschlossen werden. Es ist daher möglich, dass infolge des Ausschlusses bestimmter Klauseln keine Einigung über einzelne Aspekte des Vertragsverhältnisses erzielt wird. Sofern es sich dabei jedoch nicht um wesentliche Vertragspunkte handelt – also solche, deren Fehlen den Vertragsabschluss hindern würde –, kommt der Vertrag dennoch zustande.
In Literatur und Rechtsprechung ist ein klarer Trend hin zur “Knock-Out Rule” zu erkennen.
Tendenz zur Anwendung der „Knock-Out Rule“
Diese Entwicklung ist insbesondere in der deutschen Fachliteratur deutlich erkennbar, wo die „Last-Shot“-Regel nur noch als von einer Mindermeinung vertretene Doktrin gilt, während sich in der überwiegenden Lehre der Ansatz der „Knock-out“-Regel durchgesetzt hat. Diese Hinwendung zur „Knock-out“-Regel wird auch durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bestätigt. Ein wesentliches Problem der „Last-Shot“-Regel besteht darin, dass sich die Parteien in der Praxis bei widersprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig weigern, sich den Bedingungen der jeweils anderen Seite zu unterwerfen. Für Geschäftspartner ist es daher meist irrelevant, sich mit der Reihenfolge von Angebot und Gegenangebot auseinanderzusetzen, wenn im Falle fehlender Einigung über die Bedingungen ohnehin keine Bereitschaft besteht, die Bedingungen des anderen zu akzeptieren. Die Diskussion über die Reihenfolge von Angebot und Gegenangebot bleibt damit eine juristische Fragestellung, die für das wirtschaftliche Handeln häufig keine maßgebliche Rolle spielt. Das Durchsetzen der eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Nachdruck kann überdies kaum die Grundlage für faire und tragfähige Geschäftsbeziehungen bilden.
Demgegenüber stellt die „Knock-out“-Doktrin den Parteiwillen und die Einigung der Vertragsparteien auf diejenigen Bedingungen in den Vordergrund, denen beide tatsächlich unterliegen wollen. Die deutsche Fachliteratur geht davon aus, dass auch bei widersprüchlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Vertrag als geschlossen gilt, sofern aus dem Verhalten der Parteien ersichtlich ist, dass sie sich an den Vertrag gebunden fühlen. Die „Last-Shot“-Regel hingegen führt zur Anwendung jener Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die der anderen Partei zuletzt übermittelt wurden. Dieser Ansatz ist im Wesentlichen mechanisch und kann in der Praxis dazu führen, dass es im Streitfall zu einem unerwarteten und für eine der Parteien nachteiligen Ergebnis kommt, weil sich herausstellt, dass andere als die erwarteten Bedingungen Anwendung finden. Die Anwendung der „Last-Shot“-Regel führt somit zu zufälligen und potenziell manipulativen Ergebnissen. Aus diesem Grund plädiert die deutsche Rechtswissenschaft für eine vorrangige Anwendung der „Knock-out“-Regel als einheitliche Lösung, bei der die Privatautonomie der Parteien im Mittelpunkt steht.[1]
Diesen Ansatz verfolgt auch die Fachöffentlichkeit im Zusammenhang mit internationalen Handelsverträgen, die dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) unterliegen. Das CISG enthält keine ausdrückliche Regelung zur Kollision Allgemeiner Geschäftsbedingungen, sondern befasst sich mit dieser Problematik in Art. 19 im Rahmen der Frage, ob eine modifizierte Annahme eines Angebots als Annahme oder als Ablehnung mit neuem Angebot zu qualifizieren ist. Bei widersprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren Bestimmungen in wesentlichen Punkten voneinander abweichen, würde die spätere Übersendung abweichender Bedingungen nach Art. 19 CISG als Gegenangebot gelten, sodass ein Vertrag nicht zustande käme. Die Fachliteratur weist jedoch darauf hin, dass sich im Rahmen der Anwendung des CISG eine Entwicklung in Richtung der Anerkennung der „Knock-out“-Doktrin abzeichnet. Entgegenstehende Klauseln aus den jeweiligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen würden sich demnach gegenseitig neutralisieren. Der Vertrag käme dann auf Grundlage der übereinstimmenden Klauseln zustande – also in dem Umfang, in dem sich die Bedingungen nicht widersprechen. Diesen Ansatz vertreten sowohl führende CISG-Kommentatoren als auch die tschechische Fachliteratur. Angesichts des Wortlauts von Art. 19 CISG erscheint dieser Zugang als rechtlich zulässig.[2]
Die deutliche Hinwendung zur „Knock-out“-Doktrin zeigt sich auch darin, dass sie mittlerweile Eingang in weitere bedeutende internationale Rechtsquellen gefunden hat. So ist diese Doktrin inzwischen ausdrücklich in Art. 2.1.22 der UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts (PICC)[3], in Art. 2:209 der Principles of European Contract Law (PECL)[4], im Draft Common Frame of Reference (DCFR) sowie im Uniform Commercial Code (UCC) verankert. Dies stellt eine weitere wesentliche Ausbreitung der „Knock-out“-Doktrin gegenüber der „Last-Shot“-Doktrin dar, die im Lichte des Prinzips der Privatautonomie zunehmend als überholt angesehen wird.
Fazit – Empfehlung
Sich im Rahmen des Vertragsschlusses auf die „Last-Shot“-Regel zu verlassen, um die Anwendung der eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf das Vertragsverhältnis sicherzustellen, ist in der Praxis ohne Weiteres nicht möglich. Um eine wirksame Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ihres Unternehmens für ein konkretes Vertragsverhältnis sicherzustellen, empfehlen wir daher stets die Konsultation mit fachkundigen Experten.
Unsere Kanzlei ist seit vielen Jahren auf Handelsrecht und die Erstellung vertraglicher Dokumentation spezialisiert – einschließlich Allgemeiner Geschäftsbedingungen mit internationalem Bezug. Gerne bieten wir Ihnen eine individuelle rechtliche Beratung, die auf Ihr konkretes Geschäftsmodell zugeschnitten ist, und sorgen dafür, dass Ihre Geschäftsbedingungen auch in komplexen Situationen rechtlich Bestand haben.
[1] Magnus, U. in J. Von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Wiener UN-Kaufrecht (CISG), art. 19 CISG, s. 258, Rn. 24.
[2] Tichý, L. CISG (Úmluva o smlouvách o mezinárodní koupi zboží). 1. vydání. Praha: C. H. Beck, 2017, s. 107-108, marg. č. 20.
[3] Article 2.1.22 (Battle of Forms) PICC UNIDROIT: „Where both parties use standard terms and reach agreement except on those terms, a contract is concluded on the basis of the agreed terms and of any standard terms which are common in substance unless one party clearly indicates in advance, or later and without undue delay informs the other party, that it does not intend to be bound by such a contract.“
[4] Article 2:209 (Conflicting General Conditions) PECL: (1) If the parties have reached agreement except that the offer and acceptance refer to conflicting general conditions of contract, a contract is nonetheless formed. The general conditions form part of the contract to the extent that they are common in substance. (2) However, no contract is formed if one party: (a) has indicated in advance, explicitly, and not by way of general conditions, that it does not intend to be bound by a contract on the basis of paragraph (1); or (b) without delay, informs the other party that it does not intend to be bound by such contract. (3) General conditions of contract are terms which have been formulated in advance for an indefinite number of contracts of a certain nature, and which have not been individually negotiated between the parties.
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Mgr. Veronika Petrásková | Rechtsanwältin